Husums Logenhaus - Freimaurer Husum

 

Husums Logenhaus

 

 

Planung und Bau des Logenhauses

Hinweis: Der folgende Text wurde vorhandenen alten Unterlagen entnommen, von Br. Otto Hofer übertragen und in eine heute verständliche Form gebracht.

Mit dem geplanten Logenbau wollte es gar nicht vorwärts gehen. Zunächst machte der Kreisbauinspektor Dankwardt allerlei Schwierigkeiten. Wurden die Zeichnungen seinen Wünschen gemäß geändert und seinen Ausstellungen nach allen Richtungen hin Rechnung getragen, trotzdem dieselben teilweise vollständig unberechtigt waren, so fand er immer wieder neue Ausstellungen und Mängel. Um nicht mit ihm in Konflikt zu kommen, gingen wir auf alle seine Forderungen ein, soweit dieselben nicht direkt der Bauordnung widersprachen. Viermal wurden neue Zeichnungen angefertigt, wodurch uns mehr als 300 Mark Unkosten erwuchsen. Endlich war der Herr befriedigt und erklärte nunmehr, dass alles in bester Ordnung sei und der Bau beginnen könne. Und nun erhielten wir auch nach dreimaligem Ansuchen am 7. April 1905 Bescheid vom Kreisausschuss. Sieben Monate hatte der Kreisausschuss gebraucht, einen Beschluss zu fassen. Dieser lautete, trotzdem der Kreisbauinspektor erklärte, dass alles in Ordnung sei, dass der von uns erbetene Dispens wegen Bebauung nicht erteilt werden könne. Gründe wurden nicht angegeben.

Wäre dieser Bescheid rechtzeitig und nicht erst nach 7 Monaten zugegangen, so hätten wir das Grundstück nicht käuflich erworben und 800 Mark gespart. Wir konnten uns daher auch nicht bei diesem Bescheide beruhigen und beschwerten uns unter dem 11. April beim Bezirksausschuss in Schleswig.

Erst im Mai erfolgte eine Antwort, dass am 13. des Monats der Verwaltungsgerichtsdirektor Brauer und der Landesbauinspektor von Peutz sich den Bauplatz ansehen wollten und Termin an Ort und Stelle angesetzt hätten, zu welchem der Bürgermeister Dr. Schücking in Husum, der Landrat Nasse selbst und der Br. Claußen gebeten wurden.

Der Landrat erschien nicht, der Bürgermeister trat energisch für den Bau ein, aber aus den Äußerungen des Landesbauinspektors war schon zu entnehmen, dass die Bauerlaubnis nicht erteilt werden würde. Der Herr nörgelte an allem herum, bemerkte gar, auf der Westseite dürften keine Fenster angebracht werden, wenn auch die gesetzliche Entfernung vorhanden sei etc. Der Br. Claußen schrieb sofort an den Herrn Oberpräsidenten Frh. v. Wilmowsky und bat für Br. Svenningsen und sich um eine Audienz. Diese wurde bereits am 17. Mai bewilligt. Der Empfang war ein sehr liebenswürdiger. Br. Claußen trug die Sache vor, schilderte den ganzen Verlauf der Handlungen und überreichte die gesamten Zeichnungen und einen schriftlichen Bericht. Der Oberpräsident erklärte, er interessiere sich für dieses, er habe auch bereits die Herren Brauer und von Peutz rufen lassen, könne aber nichts machen, da die beiden Herren bei ihrer Ablehnung blieben und der Bezirksausschuss eine selbstständige Behörde sei.

Da wir jetzt also klar erkannten, dass an eine Bauerlaubnis für den Bauplatz an der Parkstraße nicht zu denken sei, wurde ein anderer Bauplatz gesucht. Unter allen zur Verfügung stehenden Grundstücken fand das am Mönkeweg/ Osterhusum gelegene den meisten Beifall. Wir sicherten uns dasselbe für 3.500 Mark. Der Bauunternehmer Peek in Husum wurde mit dem Entwurf einer neuen Zeichnung betraut. Am 13. Juni wurde der Antrag auf Bauerlaubnis bei der städtischen Baupolizeibehörde eingereicht. Vom Bezirksausschuss war noch immer keine Antwort eingegangen.

Erst nach nochmaligem Schreiben vom 10. Juli erhielten wir durch den Kreissausschuss den ablehnenden Bescheid des Bezirksauschusses, dessen Begründung so nichts sagend und ungenügend war, dass man wohl in der Annahme bestärkt werden konnte, die Gründung einer freimaurerischen Loge in Husum solle möglichst verhindert werden.

Die von Peek entworfene neue Zeichnung fand den ungeteilten Beifall aller Brüder. Doch wünschte man von Br. Claußen, diese noch von dem sachkundigen Br. Bollhardt prüfen zu lassen, was auch geschah. Da dieser an der Zeichnung nichts auszusetzen fand und auch die Genehmigung schnell erteilt wurde, konnte nunmehr der Bau ausgeschrieben und die Offerten bis zum 17. Juli eingefordert werden. Es gingen nur 3 Offerten ein, von auswärtigen Unternehmen keine.

Die Baukommission öffnete am 13. Juli die Offerten:

1) Stuve und Gertz 34.940 Mark
2) Preisler und Clasen 28.480 Mark
3) Peek 27.364 Mark

Entwurf eines Logenhauses in der Parkstraße
Entwurf eines Logenhauses in der Parkstraße

Ausgeschlossen sind die Gasanlage und das Malen der beiden Logensäle, auch wird dem Unternehmer das Glas zum großen Fenster geliefert. Die Baukommission beschloss, die Offerte von Peek den Brüdern vorzuschlagen, falls derselbe die 364 Mark fallen lasse. Da Peek hierauf einging, wurde an demselben Tage der Zuschlag erteilt und der Baukontrakt unterschrieben.

Nach den Bedingungen sollte der Bau am 10. November fertig gestellt werden, damit die Einrichtung und Lichteinbringung zum 14. November, am Geburtstage des Höchstleuchtenden Protektors Seiner Königl. Hoheit des Prinzen Leopold stattfinden sollte. Es ging aber mit dem Bau sehr langsam vorwärts. Wir waren genötigt dem Bauunternehmer Peek auf Vorschlag des Architekten Rohwer, dem wir die Beaufsichtigung des Baues übertragen hatten, bis zum 20. Dezember Ausstand zu geben. Aber noch im Januar 1906 war das Haus nicht fertig. Die Einweihung musste immer wieder verschoben werden. Sie wurde auf den 11., dann von der Großen Landesloge auf den 18. Februar festgesetzt. Da erkrankte im Januar der designierte Logenmeister infolge eines Eisenbahnunfalles schwer. So musste die Einweihung nochmals hinaus geschoben werden. Sie wurde nun endgültig auf den 25. März bestimmt.

Aus allen Städten Schleswig-Holsteins, aus Hamburg und aus Berlin waren zur Feier 130 Brüder erschienen.

Es war eine erhebende, schöne Feier, die zur allgemeinen Zufriedenheit ohne Missklang verlief. Der Höchstleuchtende Landesgroßmeister Graf zu Dohna vollzog die Weihe und setzte die Loge und den Logenmeister Br. Claußen ein. Die weitere Feier in der Loge und bei der Tafel leitete, wie üblich, der neue Logenmeister. An der Tafelloge, die im Logenhaus stattfand, beteiligten sich sämtliche Brüder.

Das neue Logenhaus und die Einrichtung derselben fanden den ungeteilten Beifall sämtlicher Brüder. Die erste Arbeit in der neuen Loge fand am 5. April 1906 statt. Aufgenommen wurde der Kaufmann Kruse aus Friedrichstadt. Die Kugelung über denselben hatte schon vorher in der Loge „Wilhelm zur nordischen Treue“ zu Flensburg stattgefunden.

Die Kosten für das Logengebäude einschliesslich Bauplatz

Das erste an der Parkstraße gelegene Grundstück wurde für 2.500 Mark an Carstens verkauft. Die Einrichtung der Loge und der übrigen Räume beläuft sich auf 41.000 Mark. An Gegenständen zur Einrichtung der Loge und zu dem bunten Fenster wurden – lt. anliegendem Verzeichnis der Brüder – der neuen Loge auch von verschiedenen Schwestern und einigen anderen Brüdern der Großen Landesloge Sachen gestiftet im Werte von 1.426 Mark.

Außerdem wurden von eingeladenen Logen und Brüdern 1.000 Mark geschenkt und 10.300 Mark in zinsfreien Anteilsscheinen à 100 Mark durch die Mitglieder aufgebracht.

Einmauern von diversen Schriftstücken

Am Nachmittag des 6. September 1905 um 5 Uhr begaben sich die Brüder Svenningsen, Jagelitz und Claußen zu dem im Bau begriffenen Hause der Loge „Zur Bruderliebe an der Nordsee“, um einen Bleikasten, enthaltend verschiedene Schriftstücke, einzumauern.

Das Logenhaus im ursprünglichen Zustand
Das Logenhaus im ursprünglichen Zustand

Anwesend waren außer den genannten drei Brüdern der Bauunternehmer Peek und die beim Bau beschäftigen Maurer und Arbeiter. Auch der Sohn unseres Bruders Claußen, Pastor Claußen aus Wilster, wohnte der Feier bei. Der Br. Claußen legte den Kasten in die dafür bestimmte Öffnung des Mittelpfeilers an der rechten Seite des Esszimmers, östlich von dem Konferenzzimmer, in einer Höhe von etwa 1,5 m über Souterrain und sprach dabei die folgenden Worte:

„Der Allmächtige hat uns Menschen berufen, Material herbeizuschaffen und Stein an Stein zu fügen, damit ein neuer geistiger Tempel entstehe. Wenn wir jetzt im Namen und Auftrage aller Beteiligten diesen Stein oder Kasten dem Bau einfügen, so geschieht diese symbolische Handlung mit dem Wunsche, dass dieser Bau allezeit sei und bleibe ein Haus zu Ehre unseres Allmächtigen Gottes, ein Haus zum Ruhme des über den ganzen Erdboden ausgebreiteten Freimaurerordens. Ein Haus des Segens für alle, die hier aus und eingehen jetzt und in kommenden Zeiten. Das walte Gott – Amen.“

Alle Anwesenden entblößten das Haupt, hierauf wurde der Kasten in Anwesenheit der genannten Brüder eingemauert. Der Bleikasten enthält folgende Schriftstücke:

  • Geschichte der Entstehung der Johannisloge „Zur Bruderliebe an der Nordsee“.
  • Verzeichnis der jetzigen Mitglieder und die Namen der bis jetzt gemeldeten suchenden Brüder.
  • Verzeichnis der Beamten der Loge.
  • Verzeichnis der gezeichneten zinsfreien Anteilsscheine à 100 Mark zum Bau der Loge.
  • Einladung zur Versammlung vom 3. Juli in Husum zwecks Eröffnung der Offerten und Vergabe des Baues.
  • Mitgliederverzeichnis der Johannisloge „Wilhelm zur nordischen Treue“ zu Flensburg von 1904.
  • Mitgliederverzeichnis der Loge „Leuchte am Strande“ in Eckernförde von 1905.
  • Husumer Wochenblatt vom 15. Juli 1905.
  • Friedrichstädter Wochenblatt vom 4. Juli 1905.
Das Logenhaus im Wandel der Zeit

Das Husumer Logengebäude liegt am Ende der östlichen Altstadt, und zwar an der Ecke Süderstraße / Osterhusumer Straße / Mönkeweg auf dem Ausläufer eines Geestrückens, der dort in das Tal der Husumer Mühlenau abfällt. Da die kleineren und niedrigen Häuser der Süderstraße und der anschließenden Osterhusumer Straße auf der Südseite des Straßenverlaufs und damit am Fuße dieses Geestrückes gebaut sind, überragt das Logenhaus seine Umgebung und setzt eine städtebauliche Landmarke für diesen Teil Husums, ohne jedoch sich allzu sehr über die Bebauung zu erheben und sie zu beherrschen. Trotzdem war es früher bereits mit seiner Tempelfassade deutlich von der Bahn zu erkennen, bevor die Auwiesen, die zwischen der Süderstraße und dem Bahnkörper liegen, durch Schulgebäude verbaut wurden und das Haus selbst durch den Umbau 1965 stark vereinfacht und niedriger wurde.

Das Gebäude der Loge ist in die Ecksituation eingepasst, es steht zur Straßeneinmündung Mönkeweg/Süderstraße-Osterhusumer Straße im 45-Grad-Winkel, wodurch eine gewisse Platzsituation gebildet wird. Mit dieser Einordnung gelang es dem Baumeister, das Grundstück optimal auszunutzen und ein Gebäude von städtebaulichem Rang zu errichten. Der Entwurf für das Logengebäude stammt, entsprechend den vorliegenden Unterlagen, von dem Husumer Bauunternehmer und Maurermeister August Peek (geb. 1868), der zu diesem Zeitpunkt noch nicht Mitglied der Loge war, sondern dies erst später wurde (1921).

Es darf angenommen werden, dass in die Planung immer wieder auch Gedanken und Anregungen aus der Bruderschaft, insbesondere des Logenmeisters Seminarlehrer a. D. August Claußen (geb. 1841) eingeflossen sind. Ergebnis war ein Bau, der in sich geschlossen und überzeugend wirkte und der – trotz späteren gravierdenden Umbaus im Äußeren – noch immer seine stadtbildprägende Wirkung behalten hat.

Um den Bau bewerten zu können, wird man von dem ursprünglichen Aussehen ausgehen müssen, das in vielen Fotos nachgewiesen ist. Über eine breit angelegte Freitreppe gelangte man – und das ist heute noch so – in einen Vorbau mit dem Haupteingang. Der Eingang weist Reste einer klassisch angelegten Portalumrahmung auf, der Vorbau selbst ist durch Rustikabänder gegliedert.

Dieser Vorbau ist heute der repräsentativste Teil des Logengebäudes, da er – bis auf das Portal – weitgehend erhalten geblieben ist. Das Hauptgebäude selbst wurde 1965 tiefgreifend im Äußeren verändert. Dabei wurde das Dach etwa um einen Meter tiefer gesetzt und über sämtliche Gebäudeteile gezogen, so dass heute die eigentliche Gliederung des Gebäudes nicht mehr erkennbar ist. Die Fassade wurde schließlich mit Eternitplatten verkleidet und das Rundbogenfenster zunächst durch ein rechteckiges Fenster mit Milchglas und Betonstreben ersetzt. Das heutige Rundbogenfenster entspricht in seiner Größe weitgehend dem ursprünglichen Fenster und wurde Ende September 1990 eingebaut. Auch der Vorbau erhielt eine Haut aus Eternitplatten, die aber 1995 wieder entfernt werden konnte und unter der sich der ursprüngliche Zustand fand. Es war 1966 auch geplant, eine neue Eingangssituation zu schaffen, so dass letztlich nichts mehr an das alte Logenhaus erinnert hätte. Dieser letzte Schritt unterblieb jedoch, so dass wenigstens der ursprüngliche Eingang ein Erinnerungsposten an die alte Loge blieb.

Aus den Unterlagen der Zeit 1965/66 ergibt sich der Ausmaß der baulichen Schäden, die dann zu der drastischen Umbaumaßnahme führten und deren Ursachen bereits wesentlich früher lagen.

Während des Nationalsozialismus wurde die Loge aufgelöst und das Eigentum praktisch konfisziert. Als nach dem 2. Weltkrieg die Loge wiedergegründet wurde, wollten die Brüder auch das Logenhaus zurückerhalten. Mit schier unglaublicher Opferbereitschaft gelang es ihnen, die Summe aufzutreiben, die zum Kauf notwendig war. Auf diese Weise erhielten sie wohl das Logenhaus zurück, auf das sie in einem Entschädigungsverfahren zu einem späteren Zeitpunkt ohnehin einen Anspruch gehabt hätten, die Mittel für die notwendigen Erhaltungs- und Renovierungsmaßnahmen konnten allerdings nicht mehr aufgebracht werden. Bauerhaltende Maßnahmen wären allerdings notwendig gewesen, weil das Logenhaus durch in der Nähe explodierte Bomben während des 2. Weltkrieges gelitten hatte.

Im Jahre 1960 wurden dann Baumaßnahmen an den Dächern der Abseiten durchgeführt, die eine neue Zinkabdeckung erhielten. Einige Jahre später stellten sich dann vor allem massive Schäden am Dach des Tempels ein, außerdem muss es erhebliche Probleme mit dem Außen- und wohl auch mit dem Innenputz gegeben haben. Augenzeugen berichten, dass die Säulen der Fassade des Tempels so weich waren, dass man einen Finger in sie stecken konnte. Umfangreiche Arbeiten am Tempeldach und der Fassade waren unvermeidbar. Die Schäden müssen so groß gewesen sein, dass es offenbar zu regelrechten Wassereinbrüchen kam. Rituelle Arbeiten im Tempel waren anscheinend nicht mehr möglich und Teile des Gebäudes waren baupolizeilich gesperrt.

Die Entscheidung für den weitgehenden Umbau – anstelle der ohnehin unumgänglichen Reparatur des Tempeldachs und einer Erneuerung des Putzes – ist aus dem Zeitgeist heraus zu verstehen. Die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts waren der Neugestaltung der Häuser und der Städte verpflichtet, so dass wir heute – und aus unserer subjektiven Sicht – den Verlust vieler alter Bausubstanz in dieser Zeit beklagen.

Für das Logenhaus in Husum hieß es deswegen, Abschied von der Tempelgestaltung zu nehmen, die damals nicht mehr als zeitgemäß erschien, und stattdessen dem Haus das Aussehen eines modernen Versammlungsgebäudes zu geben. Hinzu kam, dass zu jener Zeit die Architektur der Gründerzeit – und dazu gehörte das Husumer Logenhaus – generell als vergleichsweise wertlos eingestuft wurde, von der man gern Abstand nehmen wollte, weil sie als Zeichen künstlerischer Verfallserscheinung galt, da man ihr Nachahmung und mangelnde Originalität vorwarf.

Die Lösung, die man 1966 für den Umbau des Husumer Logenhauses fand, war allerdings tiefgreifend. Alle Teile des Gebäudes, bis auf den Vorbau, wurden mit einem großen einheitlichen Dach überfangen, wozu allerdings höher aufragende Gebäudeteile abgebrochen werden mussten und die Decke im Innern des Tempels an den Seiten abgeschrägt wurde. Ähnlich verfuhr man am Äußeren. Der Putz mit den Säulen musste abgeschlagen werden und das gesamte Äußere wurde mit gelben Eternitplatten verkleidet. Damit wurden die meisten Spuren der Architektur des frühen 20. Jahrhunderts, die allerdings noch der Gründerzeit verpflichtet war, getilgt. Das Husumer Logenhaus erlitt so das gleiche Schicksal wie sehr viele Gebäude aus den Gründerjahren und der Zeit danach. Allerdings sollte die neue Architektur des Hauses helfen, die alten Probleme zu beseitigen wie die anscheinend stets undichten Dächer und ein Fassadenputz, der sich auflöste. Im Innern wurde vor allem der Logenraum verändert. Anscheinend wurde der bauplastische Schmuck, wie Säulen und Portale entfernt.

Die meisten während des Krieges in Deutschland zerstörten oder beschädigten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert erlitten ein ähnliches Schicksal. Sie wurden, wenn überhaupt, entweder abgerissen oder aber stark verändert wiederaufgebaut oder restauriert. Die Einstellung zur Kunst des vorvorigen Jahrhunderts und auch der der Gründerzeit hat sich heute jedoch entscheidend gewandelt. Als Beispiel hierfür mag das Schicksal des Berliner Domes gelten. Er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet, später galt er als Inbegriff des schlechten Geschmacks und entging nach Kriegsbeschädigungen nur knapp dem Abbruch, seine Kuppeln wurden noch zu DDR-Zeiten stark vereinfacht wieder aufgebaut, während das Innere am Ende des 20. Jahrhunderts nach der Wende exakt erhalten und rekonstruiert wurde.

Und so bedauern wir aus unserer heutigen Sicht die Umgestaltung des Husumer Logenhauses, dennoch aber müssen wir diese Maßnahme aus der Sicht der damaligen Zeit betrachten und als einen Versuch werten, der Freimaurerei in einer veränderten Zeit, die durchaus noch unter dem Eindruck der Nazi-Zeit stand, neue zeitgemäße Geltung und Aktualität zu verschaffen. Größte Hochachtung ist den damaligen Brüdern wegen ihrer schier unglaublichen Spendenbereitschaft zu zollen. Sie wollten auf jeden Fall ihre Loge erhalten, ja sogar – wie sie meinten – verbessern. Und möglicherweise verdanken wir es ja diesem Umstand tatsächlich, dass die Husumer Loge heute noch existiert?

Trotzdem: Die mögliche Wiederherstellung des alten Äußeren des Logenhauses bleibt weiterhin eine Vision der Brüder, auch wenn dieses Ziel kaum erreichbar scheint. Hinter dem – noch großteils erhaltenen Vorbau – erhob sich hoch aufragend der Haupttrakt des Logenhauses mit einem Festsaal im Untergeschoss und dem eigentlichen freimaurerischen Tempel im Obergeschoss. Dieser Tempel hatte an den Längsseiten Oberlichtfenster mit – der Überlieferung nach – farbigem Glas. Das Obergeschoss ragt über den Vorbau hinaus und ist tatsächlich auch, nach außen erkennbar, wie ein antiker Tempel gestaltet gewesen. Vier Halbsäulen trugen das weit auskragende Gesims eines Giebeldreiecks. Das Gebälk – also der waagerechte Teil des Giebeldreiecks – ist jedoch durch das große halbrunde Westfenster durchbrochen, das bis in das Giebelfeld hineinragt.

Die Halbsäulen entsprachen der dorischen Ordnung, und das Gebälk, also die Simse, waren regelrecht ebenfalls im Sinne der dorischen Ordnung ausgebildet. Überraschend ist die übrige Gliederung des Bauwerks, dessen funktionale Einzelteile im Äußeren deutlich abzulesen waren: Zu beiden Seiten des Tempeltrakts waren halbrunde apsisartige Vorbauten angefügt, von denen der nordwestliche die Treppe zum Tempel aufnahm und der südöstliche in beiden Geschossen eine Art Wandelhalle ermöglichte. Seitenschiffartige Anbauten schlossen sich an, die bis heute kleinere Gesellschaftsräume aufnehmen und die im Erdgeschoss durch große zweiflüglige Türen Verbindung zum Festsaal haben. – Die Trennung der baulichen Einzelteile ist heute durch das alles überdeckende Dach und die Eternitverkleidung nicht mehr abzulesen, wenn auch die innere Aufteilung erhalten geblieben ist.

Dieses Anfügen von Seitenapsiden und „Seitenschiffen“ an den Haupttrakt führt uns bei der Suche nach Vorbildern für das Logenhaus ein wenig weiter. Eine vielleicht vergleichbare Situation hat Palladio (1508-1580) bei seiner Kirche Il Redentore in Venedig geschaffen. Hier könnte ein frei abgewandeltes Motiv liegen, wobei allerdings die Apsiden an den Bauzylinder angesetzt sind, der die Hauptkuppel trägt. Auch das große Westfenster lässt an eine Situation denken, die Palladio geschaffen hat und zwar im Mitteltrakt der Villa Barbero. Allerdings dringt hier das Fenster nicht über die Gesimszone nach oben, sondern lediglich mit seinem bauplastischen Schmuck, was indessen keine bautechnischen Folgen hatte. Anders in Husum, da hier das Fenster in die Dachzone hineinragt.

Die mögliche Übernahme von Bauideen eines Palladio und die erwiesene korrekte Anwendung der dorischen Säulenordnung zeigen, dass sich der Baumeister, der das Gebäude entworfen hat, in der Kunstgeschichte auskannte, da er phantasievoll und selbstsicher mit den einzelnen Stilelementen umgeht. Offensichtlich kannte er sich aber auch mit der freimaurerischen Überlieferung aus. Auffällig ist, dass tatsächlich von einem eigenen Tempelgeschoss ausgegangen werden muss. Der Tempel wächst nicht aus dem Bau heraus, sondern steht auf einer Art Plattform und würde auch ohne diesen Unterbau ein vollständiges Bauwerk bilden.

Der Vorbau, dessen rustikaähnliche Quergliederung Naturstein andeuten soll, war ursprünglich als Terrasse ausgebildet mit einer durch Schmuckelemente gegliederten und betonten Brüstung. Diese Brüstung wurde durch stämmige und überkuppelte niedrige Quader zwischen den Schmuckelementen gegliedert. Die Terrasse war betretbar, auf sie führte eine im großen Tempelfenster eingelassene Tür. Es ist gerade diese Ausbildung des Vorbaus als Terrasse oder Balkon, aber auch seine Größe – in Tiefe und Breite, die ihn zu einem betonten Bauteil macht. Das Logengebäude weist damit mehrere Schichtungen auf: Ein Sockelgeschoss mit einer breiten Freitreppe, die zum Haupteingang im Vorbau führt, der zusammen mit den seitlichen Anbauten eine Art Plattform schafft, auf der dann der eigentliche Tempel steht. Die oben beschriebenen Seitenapsiden wirken wie halbrunde Türme, die die Verbindung zwischen der unteren Plattform und dem Tempel herstellen. Mit dieser Gliederung erinnert das Ganze an eine Tempelburg, ein Eindruck, der von der leichten Hanglage durchaus unterstützt wird.

Eine Tempelburg spielt nun allerdings auch eine Rolle in der freimaurerischen Überlieferung, der Tempelberg in Jerusalem, der ja immer wieder zu vielfältigen Phantasien angeregt hat und dessen Rekonstruktionsversuche unzählig sind. Auch dort lag der Tempel auf einer noch heute vorhandenen, allerdings riesigen Terrasse. Ein Teil der Gewölbe und monumentalen Säulenhallen des Unterbaus hatten die Templer für ihre Zwecke zugewiesen bekommen; dieser Teil ist als die „Ställe Salomons“ bekannt.

Möglicherweise sollte das Husumer Logenhaus vage an den Tempelberg erinnern und eine Traditionslinie aufzeigen, in der sich die Freimaurer bis heute sehen. Dies wird im Innern des Gebäudes noch deutlicher. Dort fallen die Gewölbe im Erdgeschoss, eine breite Säule im Gesellschaftszimmer und beeindruckende Substruktionsbögen auf, die das Gewicht des Tempelstockwerks tragen. – Der Eindruck, der Besucher des Hauses befände sich unterhalb eines großen Bauwerks, erscheint also durchaus gewollt.

Allerdings: Trotz aller baulichen Zitate und überzeugender Nutzung architektonischer Tradition darf eines nicht vergessen werden: Auch das alte Logenhaus in Husum war lediglich Symbol, Zeichen und Erinnerung daran, dass der Freimaurer den Tempel Gottes – dort wo Gott also tatsächlich wohnt – immer nur in sich selbst errichten kann und nicht an einem geographischen Ort. Ein weithin im Stadtbild sichtbar gewesenes Gebäude erinnerte früher die Brüder Freimaurer, aber auch die Husumer an diese Tatsache. An dieser Stelle ist darauf verzichtet worden, den Logenbau unter Aspekten der Zahlensymbolik, des Goldenen Schnittes oder der Triangulation zu untersuchen, hier liegt sicherlich noch eine interessante, wenn auch sehr spezielle Aufgabe, die zu aufschlussreichen Ergebnissen führen könnte.

Aufschlussreich ist allerdings der Vergleich des tatsächlich gebauten Logenhauses mit dem ersten Entwurf für eine Loge, die in der Husumer Parkstraße gebaut werden sollte. In den Akten des Geheimen Staatsarchivs über die Husumer Loge findet sich auch der Entwurf für dieses Projekt. Danach sollte das Logenhaus die leicht vergrößerte Form einer typischen damaligen Vorstadtvilla annehmen, wie wir sie bis heute in Husum in vielen Straßenzügen finden, die Ende des 19. Jahrhunderts angelegt wurden. Zur Straße hin wies das Schema dieser Villen zwei Gebäudeteile auf: einen meist zweigeschossigen giebelständigen Teil und, daran seitlich angebaut, einen zurückliegenden und niedrigeren traufenständigen Teil. Ingesamt sollte das Logengebäude zweigeschossig werden. Ein überreicher gotisierender Bauschmuck an Fenstern und Giebel hätte das Gebäude geprägt und lediglich das sehr zurückhaltend angebrachte maurerische Symbol von Winkelmaß und Zirkel hätte es als Logenhaus ausgewiesen. Ingesamt hätte dieses Logenhaus in seiner Größe und mit dem Bauschmuck, der Wohlhabenheit signalisieren sollte, auch Clubhäusern der wilhelminischen Epoche oder auch Häusern studentischer Verbindungen geglichen, man hätte es auch für das Pastorat einer reichen Gemeinde halten können. Das Logenhaus wäre ein durchaus auffälliges Gebäude in einer Reihe ähnlicher Häuser geworden, keinesfalls aber stadtbildprägend oder -beherrschend.

Der dann nach vielen Widrigkeiten ausgeführte Bau in der Osterhusumer Straße, der dort erstaunlich schnell genehmigt wurde, nahm von diesen Plänen völlig Abschied und orientierte sich an den antikisierenden Tempelfassaden anderer norddeutscher Logenhäuser, etwa denen in Flensburg oder dem gewaltigen Logenbau der Provinzialloge von Niedersachen an der Hamburger Moorweide. Mit diesen Logen wollten die Husumer offenbar gleichziehen. Dies ist ihnen dann auch tatsächlich gelungen. Auch wenn das Husumer Logenhaus nicht so groß war wie das Hamburger oder auch das Flensburger, es brauchte den Vergleich, was seine anspruchsvolle Architektur anbelangte, nicht zu scheuen. Und so ist das Husumer Haus auch Ausdruck eines sehr selbstbewussten und anspruchsvoll gewordenen Bürgertums seiner Zeit. Wer in der Husumer Bürgerschaft etwas auf sich hielt, war in der Regel auch Mitglied in der Loge, das ergeben die alten Matrikellisten, die sozialgeschichtlich außerordentlich interessant sind.

Die Logenhäuser der damaligen Zeit sind – ähnlich wie die großen Theatergebäude des späten 19. Jahrhunderts in den durch das Bürgertum geprägten städtischen Metropolen wie Leipzig oder Frankfurt – Ausdruck starken Bürgerwillens und -engagements. Sie setzen unübersehbare Zeichen in der Stadtarchitektur und machen deutlich: Das späte 19. Jahrhundert und das frühe 20. Jahrhundert war die Zeit der Bürger, die ihre Leistungsfähigkeit und ihren Gestaltungswillen sinnfällig und stadtbildprägend unter Beweis stellen wollten. Und so zählte auch das Husumer Logenhaus zu den – im wahrsten Sinne des Wortes – herausragenden Gebäuden der Stadt und konnte sich mit der Marienkirche und dem königlichen Schloss mit dem Sitz des Landrates messen. Als quasi halböffentliches Gebäude wurde es dann auch in den Stadtplänen der damaligen Zeit verzeichnet.

Die Ansicht der folgenden Abbildung zeigt das Husumer Logenhaus so wie es nach dem Umbau 1966 aussehen sollte. Mit dem alten Bau hatte dieser Entwurf nichts mehr gemein, aber er befand sich auf der Höhe der Zeit, die für sich einen angemessenen neuen architektonischen Ausdruck finden wollte.

Entwurf für den Umbau des Logenhauses 1966
Entwurf für den Umbau des Logenhauses 1966

Der Entwurf stammt von dem damals noch jungen Logenmeister und Architekten Hans-Jochem Feddersen, der durch seine 15jährige Hammerführung den Bestand der Husumer Loge sicherte.

Gerade das Trauma der Vergangenheit führte zu einem bewussten Bruch mit den Bauten, die aus einer Zeit stammten, die mit der Katastrophe des 2. Weltkrieges letztlich in Zusammenhang gesehen wurde. Ein ernstes Ringen um die gestaltete Zukunft stand hinter diesem Entwurf, was wir heute – zwei Generationen später – nicht mehr unmittelbar erkennen können – schon wegen des Zeitablaufs. Das Husumer Logenhaus ähnelte in dieser Form durchaus Kirchenbauten der Nachkriegszeit und ist auch in dieser Form wiederum Dokument unserer Geschichte.

Das Logenhaus im Jahr 2013
Das Logenhaus im Jahr 2013